Archiv für den Monat September 2015

Damals wie heute

Matthias Hofer

In wenigen Tagen beginnt ein Schuljahr, das uns vor große Herausforderungen stellen wird. Ähnlich wie in den 1990er Jahren im Zuge des Balkankriegs werden auch heuer tausende Flüchtlingskinder, ohne Sprachkenntnisse und von schrecklichen Erlebnissen traumatisiert, in die Schulen kommen.

Damals wie heute werden diese Kinder zwar die deutsche Sprache relativ schnell lernen, jedoch an ihren seelischen Verletzungen noch lange laborieren oder sie gar ein Leben lang nicht überwinden. Damals wie heute werden Eltern die neuen Freunde ihre Kinder herzlich aufnehmen und so ein Zeichen von Mitmenschlichkeit setzen. Damals wie heute wird es für diese Kinder aber leider zu wenig Unterstützung durch Sozialarbeiter und Schulpsychologen geben. Damals wie heute müssen diese Aufgaben daher so gut wie möglich von engagierten Lehrerinnen und Lehrern wahrgenommen werden. Denn damals wie heute liegt Österreich beim schulischen Unterstützungspersonal international an letzter Stelle.

Nicht, dass dieser Missstand gänzlich neu wäre. Die Lehrerschaft weist seit vielen Jahren lautstark…

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Hamburg und Vorarlberg – der Vergleich macht sicher!

Matthias Hofer

„Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie wiederholt ihre Lehren“. Nichts könnte die Situation der Vorarlberger ÖVP nach der Ankündigung, ganz Vorarlberg zur Gesamtschulmodellregion machen zu wollen, besser beschreiben als dieses Zitat des früheren deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, besonders wenn man sie mit der Entwicklung der CDU in Hamburg vergleicht.

Im Jahr 2004 erreichte die CDU bei den Wahlen zum Hamburger Landtag die absolute Mehrheit.

Ebenso erreichte die ÖVP Vorarlberg bei den Landtagswahlen 2009 mit 50,79% der gültigen Stimmen die absolute Mehrheit. Schon kurz nach der erfolgreichen Wahl übergab der erfolgreiche Landeshauptmann Herbert Sausgruber an seinen Nachfolger Markus Wallner. Dieser versuchte sich als „Modernisierer“, insbesondere die Forderung nach der Gesamtschule sollte in weiterer Folge eine zentrale Rolle in seiner Politik spielen. Allerdings mit eher bescheidenem Erfolg: Bei der Nationalratswahl 2013 fuhr die ÖVP ein Minus von 5% ein, bei der EU-Wahl 2014 gar ein Minus von knapp 9%. Doch…

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Neue Matura, bessere Schule?

Matthias Hofer

Unter diesem Titel veröffentlichte die Tageszeitung „Die Presse“ eine Artikelserie zur bevorstehenden Zentralmatura. Man findet die angesprochen Artikel unter folgenden Links:
Neue Matura, bessere Schule?
Lehrer stehen auf dem Prüfstand
Matura: (K)eine Voraussetzung für die Uni

Als Mathematik- und Physik-Lehrer tut es mir im Herzen weh, wie in dieser Artikel-Serie mit der Mathematik im Zusammenhang mit der neuen Matura umgegangen wird. Da wird einerseits das Schreiben von Analysen und die Beschäftigung mit Literatur richtigerweise als Verlust von Allgemeinbildung kritisiert, doch nur einen Absatz oberhalb wird der falsche Schluss, dass weniger Rechenfertigkeiten ein Mehr an mathematischen Verständnis bedeuten würde als Grundlage für eine (aus Presse-Sicht notwendige) fundamentale Änderung im Mathematikunterricht herangezogen. Eine Seite später wird abermals mit der Mathematik als Negativbeispiel argumentiert („… übten manche Lehrer davor bestimmte Beispiele besonders intensiv …“).

Jetzt mag es schon so sein, dass man als Vertreter der schreibenden Zunft eher den Verlust an…

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Geschwätz

QUINtessenzen

Die Familie Kapsch verfügt über ein Vermögen von 740 Millionen Euro. Bei Hannes Androsch ist man nicht so sicher. 100 bis 300 Millionen werden es wohl sein. (1) Wenn sich solche Großindustrielle den Kampf für die Rechte der „kleinen Leute“ an die Fahnen heften, beschleicht mich immer ein ungutes Gefühl, und wenn sie gar eine „Revolution“ fordern, schrillen bei mir die Alarmglocken. (2)

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Nun ist es wieder einmal so weit. „Androsch, Kapsch & Co. machen für Schul-Revolution mobil“, lautete diese Woche eine Schlagzeile im „Kurier“ anlässlich einer Pressekonferenz von „Neustart Schule“ der Industriellenvereinigung. „In kaum einem anderen Land entscheidet der Bildungsstand der Eltern so stark darüber, welchen Bildungsweg Kinder einschlagen. Bildung wird in Österreich immer noch sozial vererbt. Österreich gehört zu jenen drei Länder [sic!] in der OECD, in denen der Bildungsaufstieg am schlechtesten gelingt“, liest man auf der zugehörigen Website.

Bemerkenswert ist nicht das gebetsmühlenartige…

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Gerhard Riegler: Die wichtigste Bildungsreform

QUINtessenzen

Wenn Sie diese Zeilen lesen, haben Sie entweder die erste Schulwoche gerade hinter sich oder stehen unmittelbar vor dem Schulanfang. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Erfolg für Ihre Arbeit. Meine ganz besonderen Glückwünsche gelten den KollegInnen, die heuer erstmals unterrichten. Möge der Einstieg in unseren so wichtigen Beruf gelingen!

Ein Blick über die Grenzen zeigt mehr denn je die Bedeutung und die Qualität dessen, was in Österreich allzu oft schlechtgeredet wird: die Überlegenheit unseres differenzierten Schulsystems und die erfolgreiche Arbeit der in ihm wirkenden PädagogInnen. Selbst die OECD bestätigt inzwischen, was manche unserer PolitikerInnen noch immer nicht realisiert haben oder trotz aller internationalen Evidenz ignorieren wollen: „A diversity of education programmes gives more chances to students to find the types of programmes that correspond to their needs, expectations and skills, and to continue education.“ (1)

Die intensive Auseinandersetzung mit Finnlands Schulwesen in Vorbereitung einer Artikelserie für das…

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Wie Sex im viktorianischen England …

QUINtessenzen

Anfang Mai nahm der Komiker John Oliver in seiner „Last Week Tonight“-Show standardisierte Tests in den USA aufs Korn. Diese Folge wurde seither auf YouTube über 4,3 Millionen Mal angeklickt (hier eine Kurzfassung).

Woman in victorian dress imprisoned in a dungeonUS-amerikanische Schüler (1) sind einer enormen „Testeritis“ ausgesetzt: 10-20 zentrale Testungen pro Schulstufe, durchschnittlich 113 bis zur Graduierung. (2) „Common Core State Standards Initiative“ heißt die „Bildungsreform“, die weitreichende zentrale Testungen vorsieht. „Seit einigen Monaten wächst der Widerstand gegen Common Core, in manchen Teilstaaten werden die Tests weitreichend boykottiert. Mehr als 200.000 Schüler im Staat New York haben zuletzt nicht an den Tests teilgenommen. Sie sind ins Kreuzfeuer mehrerer Gruppen gekommen, die sonst nie im selben Boot zu finden sind: So gut wie jeder republikanische Präsidentschaftskandidat geißelt sie als „Communist Core“, die Lehrervertreter laufen Sturm, und selbst politisch neutrale Elternvereine und Schulleiter sind frustriert.“ (3)

Die immer mehr um sich greifende „Testeritis“ hat extrem…

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Gerhard Riegler: Fakten auf den Tisch!

QUINtessenzen

Der 2. Band einer Studie mit dem sperrigen Titel „Schule der 10- bis 14-Jährigen in Vorarlberg, Bildungserwartungen, Schulorganisation, Pädagogische Konzepte, rechtliche Rahmenbedingungen. Projektbericht Band 2“ (ISBN: 978-3-7065-5474-9) sorgte nicht nur in Vorarlberg in den letzten Tagen für gehörige Aufregung. Die Vorarlberger Politik nahm den Bericht als Grundlage für die Ankündigung, in Vorarlberg spätestens in zehn Jahren die Gesamtschule der 10- bis 14-Jähringen einzuführen und damit Sonderschulen, die NMS und die AHS-Unterstufe abzuschaffen.

Ich wollte dieses schicksalsschwangere Werk umgehend erwerben, um es einer seriösen Analyse zu unterziehen. Im Gegensatz zu PolitikerInnen, „BildungsexpertInnen“ und den von ihnen „gefütterten“ Medien äußere ich mich zu Bildungsstudien erst NACH deren Lektüre.

Doch meine Versuche, das Buch zu kaufen, scheiterten kläglich. Der Band würde „Ende Mai“ erscheinen, war vom Verlag zu erfahren. Genaues wisse man aber nicht, das Buch sei derzeit noch nicht erhältlich – ein unglaublicher Verstoß gegen jegliche Seriosität, von Wissenschaftlichkeit ganz zu schweigen:…

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Das halbvolle Glas

QUINtessenzen

Irgendwie ist es schön, dass es in unserer schnelllebigen Zeit noch Konstanten gibt. Eine davon ist die „Nachhilfestudie“, die das IFES-Institut im Auftrag der Arbeiterkammer Wien jährlich erstellt. Die daraus abgeleiteten Forderungen inkl. Pressemeldungen liegen seit Jahren in den Schubladen und werden jeden Mai hervorgezogen.

on whiteDie Studie zeige „sehr deutlich, dass Wien mit dem Projekt der Gratis-Nachhilfe für 6 bis 14-Jährige genau auf dem richtigen Weg ist“, betont der Wiener SPÖ-Bildungsstadtrat. (1) Für den Leiter der Abteilung Bildungspolitik der AK Wien sind die verschränkte Ganztagsschule sowie die Gratisnachhilfe in Wien „Lichtblicke“. (2) Der steirische AK-Präsident „fordert, gemäß SPÖ-Parteilinie, den Ausbau von Ganztagesschulen mit verschränktem Unterricht, sowie die Etablierung kostenloser Nachhilfe in den Schulen.“ (3) AK-Präsident Rudolf Kaske behauptet: „Die klassische Halbtagsschule nimmt zu wenig Verantwortung für den Lernerfolg der Kinder wahr.“ (4)

Auch „Bildungsexperten“ (5) sondern – alle Jahre wieder – ihre…

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Bretter, die die Welt bedeuten

QUINtessenzen

Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig.

A theater stage with a red curtain, seats and a spotlight. Vector.

Diese Aussage des Wiener Bürgermeisters hat hohe Wellen geschlagen – und sie hat etwas bewirkt, was „sein von absolutistisch-populistischer Präpotenz geprägtes Politik-Verständnis“ (1) wohl nicht erahnt hat: im Vergleich zu früher erstaunlich viele Kommentare, in denen für die Pädagogen (2) dieses Landes Partei ergriffen wird.

Es bewegt mich, dass die Diskussion sehr unsachlich und mehr als zynisch geführt wird! […] Die Politiker sollten sich nicht ungestraft mit populistischen Wortspenden ihr Mütchen kühlen“, schreibt Herbert Steinböck. (3) Christa Kummer tut es „in der Seele weh. Der Lehrer-Job sollte der höchstdotierte im Lande sein. […] Einen Quadratmeter, einen Computer für 30 Lehrer, dafür aber keine Rückendeckung vom Direktor, von den Eltern, von den Medien und von der Politik.“ (4) Reinhold Bilgeri hält den Häupl-Sager für „diffamierend. […] Die Gesellschaft sollte mit…

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